Seit 17 Jahren fliegt der Wädenswiler Marco Fumasoli mit dem Helikopter über das Land und filmt. «Swissview» hat längst Kultstatus erreicht. Bald erscheinen die luftigen Ansichten der Schweiz fürs iPhone.
Text: Michael Grimm, Fotos: Manuela Matt
Kennen Sie jemanden, der «Swissview» nicht kennt?
Wenn ich von meiner Arbeit erzähle, wissen 95 Prozent sofort, wovon ich rede.
Mit Ihren Landschaftsfilmen haben Sie einen Beitrag für die Ewigkeit geschaffen.
Ein gutes Gefühl?
Ja, denn normalerweise ist ja vieles, was man im Leben macht, nicht mehr als ein Furz in die Luft. Mit «Swissview» ist meinem Team aber etwas gelungen, das uns seit Jahren grosse Befriedigung bringt. Wie ist «Swissview» entstanden? Mit einem Heissluftballon als Logo für den neuen Sender Schweiz 4 gewann ich den Wettbewerb um das neue Erscheinungsbild. Wir filmten den Ballon über der Schweizer Landschaft – vom Helikopter aus. Es sollten eigentlich nur ein bis drei Minuten lange Clips werden, um Programmpausen zu füllen. Weil die Zuschauer die Bilder so sehr liebten, hängten wir komplette Flüge rein und drehten über dem ganzen Land. Aus dem Pausenkonzept wurde ein Kultprogramm.
Auf Schweiz 4 war «Swissview» sehr präsent. Später auf SF deutlich weniger. Warum?
Mit der Zunahme der Serien im Tagesprogramm wurde der Raum für «Swissview» kleiner. Heute wird das Format täglich auf HD Suisse ausgestrahlt.
Bei Ihren Flügen gibt es weder ein Drehbuch noch Schauspieler. Was ist das Geheimnis?
Die Schweizer Landschaft. Der Zuschauer bleibt am Bildschirm kleben und will immer noch einen Berg, noch ein Tal und noch ein Dorf sehen. Er ist verblüfft, dass ein Bild, in dem so wenig passiert, so begeistern kann. Ein nicht zu unterschätzendes Element ist die sphärische Musik, die seit Jahren vom bekannten Nik Bärtsch komponiert wird. Durch sie erwachen die Luftaufnahmen zum Leben.
Wie sieht die Zusammenarbeit in der Luft aus?
Wir verstehen uns inzwischen fast blind. Mein Pilot, Sandro Brugnoli, sieht nach unzähligen Flügen jeweils voraus, was mich an einer Route interessiert. Und der Kameramann Ueli Haberstich ahnt, welche Sujets mir wichtig sind, wann Details gefragt sind und wann sich das Blickfeld öffnen soll.
Hat sich sonst etwas seit den Anfangszeiten verändert?
Heute fliegen wir sehr viel ruhiger. Das Rohmaterial schneiden wir kaum mehr. Ausnahmen sind das Ende des Bandes oder des Fluges oder Mücken auf der Linse – Insekten sind unsere ärgsten Feinde. Gezoomt wird ebenfalls weniger, schon aus Diskretionsgründen. Früher hatten wir eine solche Freude am Zoom, dass wir fokussierten, bis man die Schnauzhaare zählen konnte.
So gesehen sind Sie ein Vorläufer von Google Street View.
(Lacht.) Das war natürlich nie die Absicht. Die Grundidee war, die Landschaft zu individualisieren. Das ging am besten durch die Menschen, die darin leben. Wir gingen immer gleich vor: Erst sah man eine Gegend in der Totalen, dann eine Gemeinde, dann einen Weiler, dann den Pöstler oder den Bauern, der mit der Heugabel in der Hand zum Helikopter hochschaut. Mit dem Datenschützer mussten wir uns deshalb noch nie herumschlagen. Zum Glück ist «Swissview» positiv besetzt und hat nicht das Image von Google.
Die Sicht aus der Vogelperspektive kann faszinierend, aber auch beängstigend sein.
Wo ist der Kontrast besonders gross?
Immer dort, wo der Eingriff des Menschen in die Natur ersichtlich wird. Beim Anblick schmelzender Gletscher wird mir unbehaglich. Eine Katastrophe ist auch die fortschreitende Zersiedelung. Wie das Gewerbe sich in die Landschaft frisst, einfach unglaublich! Oder zu schnell gewachsene Ortschaften. Auch wenn etwas besonders hässlich ist, halten wir voll drauf. Pfäffikon ist leider ein solches Beispiel: Da hat man wirklich das Gefühl, als hätte ein grosser Lastwagen einfach seine Ladung hingekippt. Da wurde gnadenlos und ohne Rücksicht auf Verluste alles zugebaut.
Wurde die Idee von «Swissview» im Ausland schon abgekupfert?
Bisher nicht. Aber auf Youtube gibt es nicht autorisierte Kopien. Wir sind dabei, diesen Piraten das Handwerk zu legen.
Ihr jüngstes Projekt ist die Entwicklung einer iPhone-App, die Mitte Mai lanciert wird.
Unser Ziel ist es, zum jeweiligen Standort Luftbilder anzubieten. Interessant ist das für Touristen, Architekten, Stadtplaner, Lehrer oder für jeden Einwohner, der sein Quartier aus der Luft sehen will. 1500 Clips à drei Minuten werden im Angebot sein. Die App ist gratis, die einzelnen Clips kosten. Wir wollen ja weiterfliegen und neue Projekte anreissen.
Haben Sie noch andere Träume?
Am liebsten würde ich auf der ganzen Welt filmen. Nicht flächendeckend wie in der Schweiz, aber punktuell. Abu Dhabi, Dubai, Istanbul, Shanghai, Bangkok… dieser Planet bietet so viele hervorragende Kulissen.
Marco Fumasoli
Regisseur und Produzent
Marco Fumasoli (1951) ist im Rheintal, in Wädenswil und Zürich aufgewachsen. Heute lebt er im Kreis 5. Der Jurist war Kreativdirektor beim Schweizer Fernsehen. Später gründete er seine erste Werbeagentur und seine eigene Filmproduktion. Im Jahr 2005 entwarf er das Erscheinungsbild der Lakers. Seine Helikopterflüge startet der zweimal verheiratete und heute geschiedene Filmer von der Heli-Basis in Schindellegi aus. (grm) www.swissview.com